Gift in Bekleidung
Azofarben, Nanopartikel, Monomere, Biozide – Hunderte von Hilfsstoffen, von der Industrie oft als Neuentwicklungen gefeiert, bedrohen die Gesundheit. Dabei gibt es für Textilien keine Zulassungspflicht oder gesetzliche Prüfung.
Ein Cocktail aus vielen verschiedenen Chemikalien macht den Pullover weich, die Bluse knitterarm und schützt die Hose davor auszubeulen. Er besteht aus in der Fachsprache „textile Ausrüststoffe“ genannten Substanzen. Der so genannte Textilhilfsmittelkatalog listet knapp 7000 von ihnen auf. Von diesen Hilfs- und Ausrüstungsmittel für Textilien wird immerhin rund ein Zehntel häufig eingesetzt. Harmlos sind einige dieser Substanzen aber keineswegs. Sie können die Gesundheit schädigen, zu Allergien führen oder sogar das Krebsrisiko erhöhen. Je nachdem, wie fest die Stoffe an die Faser gebunden sind, wie eng und wie lange der Hautkontakt besteht, gelange n sie in die Haut. Dort werden sie verstoffwechselt, ins Blut transportiert und kursieren im Körper, bis Leber und Niere sie im besten Fall abbauen. Manche bleiben jedoch für Jahre in den Organen.
Im
Gegensatz zu den Zutaten von Lebensmitteln müssen die Kleidungsetiketten textile
Zusatzstoffe nicht listen. Nur die Faser muss deklariert werden, also ob es sich
um Baumwolle, Elastan, Polyester oder Acryl handelt. Für Textilien gibt es keine
Zulassungspflicht oder gesetzlichen Prüfungen. „Alle Kleidungsstücke prüfen zu
lassen, bevor sie in den Handel kommen, wäre auch unrealistisch“, erklärt Thomas
Platzek, Leiter der Fachgruppe Toxikologie von verbrauchernahen Produkten des
Bundesinstituts für Risikobewertung. Allerdings gibt es Stichproben. Dabei
kontrollieren die Prüfer der zuständigen Landesbehörden, ob die gesetzlichen
Bestimmungen eingehalten werden, die für gesundheitsgefährliche Substanzen in
Textilien europaweit gelten. Das sind vor allem bestimmte Azofarben und
Dispersionsfarben.
Die Tester werden meist nicht fündig. „In weniger als fünf Prozent der geprüften
Textilien entdecken die Chemiker jedoch Azofarben in unzulässig hoher Menge“,
berichtet Thomas Platzek. Das betrifft nicht nur Kleidung, sondern auch
Gebrauchstextilien, etwa Segeltuch oder Möbelbezugsstoff. Die beanstandeten
Produkte werden sofort an die Europäische Kommission gemeldet, die sie über das
Schnellwarnsystem für gefährliche Produkte (RAPEX) wöchentlich auf ihrer Website
veröffentlicht.
Farbstoffe – billig, attraktiv und riskant
Von den im Farbmittelkatalog geführten 4000 Substanzen nutzen Hersteller etwa ein Viertel für unsere Kleidung. Bedenklich sind dabei vor allem zwei Substanzgruppen, weil sie die Gesundheit massiv beeinträchtigen können: bestimmte Dispersionsfarben und Azofarben. „Einige Dispersionsfarben können zu Allergien führen, wenn das damit gefärbte Kleidungsstück sehr engen Kontakt zur Haut hat“, berichtet Toxikologe Thomas Platzek. Gefährdet sind also Schwitzzonen wie die Achseln, aber auch Hautfalten. Ein bis zwei Prozent der Patienten, die wegen einer Allergie in die Hautklinik kommen, seien durch Textilien krank geworden, sagt der Experte. Dispersionsfarben setzt die Industrie vor allem für synthetische Fasern ein. Allerdings sind nur acht von ihnen gefährlich (verschiedene Dispersionsblautöne, -gelb, -orange und -rot).
Besonders häufig werden auch Azofarbstoffe verwendet. Sie bestechen, weil sie kostengünstig sind, brillante und gleichzeitig stabile Farben erzeugen. Allerdings sind unter den rund 2000 im Farbmittelkatalog gelisteten Azofarben etwa 500 riskant. „Die für Lebensmittel, Spielzeug und Kosmetika verbotenen Farbstoffe sind krebserzeugend“, sagt Thomas Platzek. Der Körper spaltet Azofarbstoffe zu aromatischen Aminen, die bekanntlich zu Krebs führen können.
Belastung mit alten Problemstoffen geht zurück
Andere,
früher als riskant eingestufte Textilhilfsmittel dagegen haben sich inzwischen
als unbedenklich erwiesen – wie z. B. Weißtöner, die als optische Aufheller
Wäsche strahlend weiß machen. Früher vermuteten Experten, dass die Substanzen
eine hormonähnliche Wirkung aufweisen. „Dieser Verdacht hat sich in der
Zwischenzeit nicht bestätigt“, gibt Toxikologe Thomas Platzek Entwarnung.
Weitere der gefährlichen, früher in Textilien verwendeten Substanzen werden
heute nicht mehr eingesetzt, etwa Färbebeschleuniger. Einige von ihnen, wie
Trichlorbenzol, reizen Haut und Schleimhäute und schädigen Leber sowie Nieren.
Auch Formaldehyd, das Fasern knitterfrei macht, oder der Formaldehyd-Ersatzstoff
Glyoxal – beide führen zu Hautreizungen und können Krebs begünstigen – tauchte
in den letzten Jahren bei Stichproben kaum noch auf.
Im Fall anderer Substanzen rät Thomas Platzek zur Risikoabwägung. Beispielsweise enthalten Fluorpolymere, das sind Substanzen, die den Stoff wasserabweisend machen,geringe Mengen an Monomeren, die gesundheitsschädlich sind. Allerdings ist Kleidung, etwa Regenjacke oder Anorak, wenn, dann nur außen damit behandelt. Die Substanz hat also keinen Hautkontakt und gelangt also in den Organismus.
Neue, riskante Stoffe
Dagegen hat die Chemie zwei neue Substanzgruppen für Textilausrüstung entwickelt, die Experten mit Bedenken sehen. Das sind zum einen Biozide, antibakteriell wirkende Stoffe, z. B. Triclosan oder Silberionen. In Sportunterwäsche und Socken sollen sie Hautbakterien vernichten und damit verhindern, dass Schweiß zu riechen beginnt. „Diese übertriebene Hygiene ist überflüssig“, urteilt Toxikologe Thomas Platzek. Waschen und täglich frische Unterwäsche und Strümpfe anziehen reicht für einen gesunden Menschen. Textilien mit Bioziden dagegen ersetzen nicht das Waschen, greifen jedoch gezielt Hautbakterien an, stören deren Gleichgewicht und damit die gesunde Hautflora. Außerdem gelangen die Biozide mit dem Spülen ins Abwasser, belasten die Umwelt, ähnlich wie Antibiotikarückstände und könnten die Bildung von resistenten Bakterien begünstigen.
Nicht ohne Vorbehalte sieht der Experte auch die neue Nano-Ausrüstung von Textilien. Die Partikel haben nur eine Größe von zehn bis 100 Nanometer. Sie ermöglichen funktionelle Eigenschaften, die vorher kaum möglich waren: Textilien können dadurch z. B. Schmutz abweisen oder die Haut mit Pflegemitteln versorgen (Kosmeto-Textilien). „Die Risikobewertung macht hier noch Probleme“, sagt Thomas Platzek. Denn die Wirkung von Nanopartikel auf die Gesundheit ist noch zu wenig erforscht. Doch gerade weil die Partikel so klein sind, könnte die Gefahr bestehen, dass sie beim Einatmen über die Lunge ins Blut gelangen und zu den Organen gelangen.
So schützen Sie sich
Entwarnung beim Reizthema Textilhilfsstoffe ist also nur teilweise gegeben. Neue Substanzen, deren Wirkung auf die Gesundheit noch zu wenig erforscht ist, können gefährlich sein. Riskant sind aber auch Rückstände von bekannten, schädlichen, die zwar in EU-Ware so gut wie nicht mehr auftreten, aber bei Importprodukten nicht auszuschließen sind. Jeder sollte deshalb auf einige Dinge achten, wenn er seine persönliche Gefahr zu gering wie möglich halten möchte.
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